5. Die Totentänze
Etwa zur gleichen Zeit wie die ars moriendi-Literatur entstanden
die Totentänze, die in Text und Bild die Vergänglichkeit
des Menschen, die Allgegenwart des Todes für Alt und
Jung, Frau und Mann, Reich und Arm, Adelige, Geistliche,
Bürger und Bauern darstellten. Der Tod verschonte keinen
- das ist die Hauptaussage der Totentänze.
Der Totentanz stammt wohl aus Frankreich, den Anfang machte
vielleicht 1424 der danse macabre am Friedhof der Unschuldigen
Kinder in Paris. (Kaiser, Der tanzende Tod, S. 26)
Ein Toter, mehr oder minder verwest, tanzt um den (noch)
Lebenden, fasst ihn an die Hand, um ihn mitzureissen. In
vielen Fällen ist der Tote nackt, manchmal trägt
er ein Leinentuch (siehe rechts) oder einen Umhang. Teilweise
hat er einen aufgeschnittenen Bauch, in dem sich Schlangen
winden. Der Tote spielt dabei z.T. ein Musikinstrument,
hält eine Sanduhr als Zeichen der Vergänglichkeit
in seiner Hand.
Vor allem im Spätmittelalter ist diese ursprüngliche
Form des Totentanzes anzutreffen. Sie erlaubte, "den
Schrecken des Todes in Wort und Bild zu fassen und dadurch
zu beherrschen." (Ohler, Sterben und Tod, S. 268) Mitten
im Leben erschien der Tod und zeigte sich übermächtig
- dies mag auf die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wiederholt
auftretenden Pest hindeuten, die den Menschen plötzlich
und unerwartet traf und tötete.
Doch die spätmittelalterlichen Totentänze und
ihre Nachfolger in der Frühen Neuzeit besaßen
noch einen anderen Zweck: Kritik an vermeintlich überkommenen
Gesellschaftsstrukturen...
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