Bernt Notke: Totentanz (Fragment, Ausschnitt), um 1463/66; Tallin, St. Nikolai
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5. Die Totentänze

Etwa zur gleichen Zeit wie die ars moriendi-Literatur entstanden die Totentänze, die in Text und Bild die Vergänglichkeit des Menschen, die Allgegenwart des Todes für Alt und Jung, Frau und Mann, Reich und Arm, Adelige, Geistliche, Bürger und Bauern darstellten. Der Tod verschonte keinen - das ist die Hauptaussage der Totentänze.

Der Totentanz stammt wohl aus Frankreich, den Anfang machte vielleicht 1424 der danse macabre am Friedhof der Unschuldigen Kinder in Paris. (Kaiser, Der tanzende Tod, S. 26)

Ein Toter, mehr oder minder verwest, tanzt um den (noch) Lebenden, fasst ihn an die Hand, um ihn mitzureissen. In vielen Fällen ist der Tote nackt, manchmal trägt er ein Leinentuch (siehe rechts) oder einen Umhang. Teilweise hat er einen aufgeschnittenen Bauch, in dem sich Schlangen winden. Der Tote spielt dabei z.T. ein Musikinstrument, hält eine Sanduhr als Zeichen der Vergänglichkeit in seiner Hand.

Vor allem im Spätmittelalter ist diese ursprüngliche Form des Totentanzes anzutreffen. Sie erlaubte, "den Schrecken des Todes in Wort und Bild zu fassen und dadurch zu beherrschen." (Ohler, Sterben und Tod, S. 268) Mitten im Leben erschien der Tod und zeigte sich übermächtig - dies mag auf die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wiederholt auftretenden Pest hindeuten, die den Menschen plötzlich und unerwartet traf und tötete.

Doch die spätmittelalterlichen Totentänze und ihre Nachfolger in der Frühen Neuzeit besaßen noch einen anderen Zweck: Kritik an vermeintlich überkommenen Gesellschaftsstrukturen...

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