8. Nach dem Tod
Was erwartete den Menschen - seinen Körper, seine
Seele - nun nach dem Tod?
Wenn der Tod eines Menschen nicht gerade in Zeiten des
massenhaften Sterbens eintrat, vermochte der Glaube an ein
Leben nach dem Tod und das Eingebundensein des Individuums
in die Gesellschaft mitsamt seinen Riten und Traditionen
den Tod leichter ertragbar zu machen.
Man starb, wie gesagt, nicht allein - Freunde, Nachbarn
und Verwandte waren um das Bett versammelt, um dem Sterbenden
beizustehen. Nach dem Dahinscheiden folgten das Einkleiden
des Leichnams, Gebete, die Totenwache und das Begräbnis.
Und die Seele?
Im Laufe der Geschichte gab es bezüglich der Frage,
was nach dem Tod der "sterblichen Hülle"
mit der Seele geschieht, unterschiedliche Auffassungen.
Dies lag und liegt u.a. an den wiedersprüchlichen Aussagen
der Heiligen Schriften. So lässt sich aus dem Matthäus-Evangelium
(Matthäus 25) herauslesen, dass alle Menschenseelen
nach ihrem Tod vor dem Richter Christus erscheinen und von
ihm gerichtet werden: Die Guten (die Schafe) stellt er zu
seiner Rechten, die Bösen (die Böcke) zu seiner
Linken. Zwischen Gut und Böse gibt es nichts.
Das Weltgericht nach Johannes (Kap. 5) hingegen müssen
die Guten nicht gerichtet werden: Sie gehen direkt vom Tod
in das (neue) Leben über. Auf die Bösen wartet
das Gericht. Damit dieses Gericht überhaupt Sinn macht,
so folgerten die mittelalterlichen Theologen, besteht für
die Bösen auch die Chance auf den Eingang in das himmlische
Paradies. Zwischen den Guten und Bösen stehe demnach
noch der "Halbgute". (Jezler, Jenseitsmodelle,
S. 15 f.)
Diese "Halbguten" benötigen hingegen noch
eine Reinigung. Diese erfolge im Fegefeuer, das im Gegensatz
zu Himmel und Hölle ein endlicher Zustand sei. Nach
Jacques Le Goff fand, trotz einiger Vorläufer, Ende
des 12. Jahrhunderts die Geburt des Fegefeuers
statt. Wie lange die Reinigung dauern sollte, hing nach
Auffassung der Theologen von den begangenen Sünden
ab - aber auch von den Gebeten und stellvertretenden Bußleistungen
der (auf der Erde) Lebenden. Dadurch konnte die Leidenszeit
der "armen Seelen" verkürzt werden.
In der Ikonographie zeigte sich erst seit dem 17. Jahrhundert
eine "explosionsartige Häufung der Purgatoriumsdarstellungen",
freilich v.a. in katholischen Ländern. (Wiebel-Fanderl,
Fegefeuer- und Armenseelenkult, S. 243ff.) Gegen die mit
der Lehre des Fegefeuers zusammenhängende Ablasspraxis
formierte sich bekanntlich im Zuge der Reformation immer
größerer Widerstand. So gab es im 18. Jahrhundert
gar das Verbot, für die Toten zu beten. (Ariès,
Geschichte des Todes, S. 587f.) Ein Anrecht auf den Himmel
konnte man sich nach Ansicht der Reformatoren nicht erwerben
- die unendliche Gnade Gottes war für das Eingehen
ins Himmelreich zwingend erforderlich.
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